Hallo,
der Test ist technisch dermaßen oberflächlich, fehlerhaft und nachlässig recherchiert, daß ich mich veranlaßt sah, mal etwas außergewöhnliches zu tun: Ich habe den Autor angerufen und um Aufklärung gebeten, wie so etwas im ÖR möglich ist. Das Mann war so nett, mir vieles zu erklären.
Zunächst einmal gab er offen zu, von diesen Dingen kaum Ahnung zu haben. Das kann er auch kaum, da er ständig an anderen völlig unterschiedlichen Themen arbeitet.
Das Staatsfernsehen vergibt solche Beiträge extern an Medienfirmen und die wohl auch um ziemlichem Kostendruck stehen. So wird angeblich nur ein Labortag bei einem weiteren technischen Dienstleister bewilligt. Konkret war das die Produktionsfirma Pieper & Partner und die fachliche Beratung und Tests wurde von Hansecontrol TÜV HH beigesteuert. Dort war ein Herr Torsten Scholz mit der Aufgabe betraut, der dem "Team Produktsicherheit" angehört. Ob das eine unglückliche Fehlbesetzung war oder der Mann einfach nicht ausreichend Zeit und Freiheiten zum gewissenhaftem Arbeiten hatte, entzieht sich meiner Kenntnis.
Der Autor Herr Johannes Bünger beklagte neben der seines Ermessens kärglichen finanziellen Ausstattung auch die zu knapp bemessene Sendezeit. Ich habe den Vorschlag gemacht, dann doch wenigstens im Webauftritt die wichtigen Informationen nachzureichen, die in der Sendezeit nicht untergebracht werden konnten. Angeblich wäre das nicht zulässig, weil der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger dagegen rechtlich vorgehen würde. Dazu schreibe ich jetzt mal besser nichts...
Dann gab es noch Handwerker (Zimmermänner?) als Komparsen, die auch ihre Meinungen beigesteuert haben.
Eine Frage habe ich mir verkniffen: Wie kann in dieser Konstellation eine ausreichende Unabhängigkeit sichergestellt werden, welche der ÖR ja angeblich für so wichtig hält und u.a. damit seinen immensen und ständig steigenden Finanzbedarf begründet. Schließlich läuft die Sache kein Stück anders ab, als bei den privaten TV-Sendern und da weiß man woran in Sachen Unabhängigkeit man ist.
Gehen wir die Testergebnisse auf der am Beginn verlinkten NDR-Seite mal durch.
Gut eine genaue Waage haben sie - das ist schön.
Die max. Drehzahl sagt wenig aus, wenn man nicht die Anzahl der Gänge und die drin jeweils erreichte Leerlaufdrehzahl angibt.
Es ist nicht üblich, die Leerlaufspannung des Akkus anzugeben.
Ladungsträgerkapazität - toll, physikalisch richtig ist das ja, aber wer verwendet das in der Praxis? Frisch von der Uni? Ein ganz Genauer? Dazu paßt der Rest nicht. Oder doch nur mal eben so zusammengegoogelt? Na ja...
Schlimmer ist, daß die Kapazität für 3 Geräte nicht angegeben wird. Das steht bestimmt irgendwo oder kann beim Hersteller bzw. Importeur erfragt werden. Ansonsten kann man es wenigstens messen. Unverzichtbar sind auch genauere Angaben zum Akkutyp - wenigstens Zellengröße und System.
max. Drehmoment: falls mehrere Gänge vorhanden sind, dann in welchem Gang gemessen? Katalogwerte oder tatsächlich gemessen? Wenn gemessen, bei welcher Drehzahl oder blockiert? Weiter unten kann man sich zwischen den Zeilen zusammenreimen, daß sie es irgendwie gemessen haben.
Solche technischen Stilblüten, wie dieser hier
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Das Akku besitzt keine automatische Abschaltung. Es geht also kaputt, wenn es nach der entsprechenden Stundenzahl nicht von der Ladestation genommen wird.
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lassen schon schwere Zweifel aufkommen.
Zuerst einmal heißt es "der Akku" von "der Akkumulator".
Gemeint ist mit der automatischen Abschaltung wohl eine automatische Beendigung des Ladevorganges. Zumindest bei NiCd-Akkus, die zum BAS18 und zum Mannesmann-AS gehören, ist das bei den verwendeten geringen Ladeströmen der Einfachstladegeräte nicht der Fall. Erhöhter Verschleiß findet zwar schon statt, aber auf die Schnelle "kaputt" geht der Akku nicht. Bei NiMH und LiIon sieht das natürlich anders aus, aber die werden nicht mit Primitivladern verkauft.
Der nächste Unfug:
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Auch bei der Drehgeschwindigkeit sind die Unterschiede groß. Der Meister Craft und der Mannesmann schaffen um die 500, die Makita 1.490 Umdrehungen pro Minute.
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Die teilnehmenden Einfachstschrauber haben nur einen Gang, welcher einen Kompromiß liefern muß. Die daraus resultierenden physikalischen Zusammenhänge werden unzureichend erklärt. Das grenzt schon an bewußte Irreführung.
Das setzt sind dann folgendermaßen fort:
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Die kleinen Maschinen schaffen sieben bis acht Newtonmeter, die Profigeräte sind mit 50 Newtonmetern fast sieben Mal so stark.
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Ohne Angabe der Übersetzungsverhältnisse, Nenndrehzahl und Lastdrehzahl bei der Messung hat das alles keinen nutzbaren Informationsgehalt. Auch wird auf die Dimensionierung der Strombegrenzungen und die Begrenzung in der letzten Momenteinstellung für Schrauben nicht eingegangen.
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Während die Modelle von Einhell, Bosch, Metabo und Makita über mehrere Gänge verfügen und die Arbeit so erleichtert wird...
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Bestimmte Lastfälle werden damit überhaupt erst möglich, hätte es in etwa heißen müssen.
Die relativ geringe Masse der Billigschrauber läßt die Verwendung von Kurzzellen vermuten. Zum BAS 18 habe ich eine Kapazitätsangabe von 1,2Ah gefunden. Auch das weißt darauf hin, daß vermutlich 4/5 Sub-C verbaut sind. Das zieht auch Nachteile beim Innenwiderstand nach sich. Vermutlich ist es beim Mannesmann-AS genauso. Das sind beides kaputtgesparte Geräte, die allerdings für einen verhältnismäßig hohen Preis angeboten werden.
Die relativ hohe Nenndrehzahl der 1-Gang-Schrauber ist ein Nachteil bei schweren Schraubvorgängen - wird aber oft so gewählt, damit noch sinnvoll gebohrt werden kann. In gewissem Umfang sind hohe Momente zwar möglich, führt aber dazu, daß die Motoren in einem sehr ungünstigen Wirkungsgradbereich arbeiten und entsprechend schnell die Akkus entladen. Ferner können die Motoren je nach Dimensionierung der Strombegrenzung im Regelschalter schnell überhitzen. Dafür sind diese Schrauber eben nicht oder nur sehr eingeschränkt geeignet.
Für 30...40 Euro sollten sich zudem vernünftige 2-Gang-Schrauber mit Schnelladegerät erstehen lassen. Weitere Eckpunkte sind 18V, NiCd, ca. 1,7Ah und Schnellstop. So etwas gab es bei den Discountern schon oftmals für ca. 25 Euro oder ca. 40 Euro mit 2. Akkupack. So ein Gerät würde in diesem Test ganz anders abschneiden, weil es über eine sinnvolle technische Grundausstattung verfügt, die nur unwesentlich teurer ist. BAS 18 und M17962 sind einfachste Geräte und man bekommt sie wahrscheinlich real auch noch deutlich günstiger. Der wesentliche Unterschied, aus dem der höhere Preis des M17962 resultiert, ist der, daß dieser einen 2. Akkupack hat.
Wo wir gerade bei den Preisen sind: Für den Makita BDF 451RFE wird wohl auch kaum jemand 500 Euro bezahlen. Den gibt es ab reichlich 350 Euro.
Ärgerlich ist die kaum verifizierbare Belastungsangabe mit Schraubengröße und Holz. Da "Holz" ein sehr dehnbarer Begriff ist, wären idealerweise zusätzliche Moment- und Drehzahlkurven wünschenswert. Wenn das zuviel verlangt ist, dann bitte doch wenigstens durchschnittliches und maximales Moment.
Alle Geräte müssen mit in der Leistungsfähigkeit relativ vergleichbaren Akkus und Motoren auskommen. Ein stärker dimensionierter Motor wird auch bei geringer Last den Akku höher belasten. Einen EC-Motor, welcher dieses Problem weit besser lösen könnte, hat auch keines der teuren Geräte. Deren Vorteile resultieren aus höherer Akkukapazität und einer ausreichenden Anzahl an Schaltstufen, um die unterschiedlichen Lastfälle besser zu adaptieren.
Der BDF 451RFE hat im 1. Gang nur eine Nenndrehzahl von 300 U/min, welche unter Last noch einmal stark einbricht. Zaubern kann eben keiner.
Zur Inflation der Gänge:
NiCd-Geräte haben mehr als 2 Gänge nicht wirklich gebraucht, weil der Entladewirkungsgrad der Akkus auch bei hohen Strömen noch erträglich ist. Bei NiMH späterer Generationen war das dann ähnlich. LiIon-Akkus kämpfen immer noch mit einem eigentlich zu hohem Innenwiderstand für solche Hochstromanwendungen, wenn Zellen mit von NiCd/NiMH gewohnter Kapazität verwendet werden. Normalerweise müßten Akkus mit deutlich höherer Kapazität verbaut werden, welche das Innenwiderstandsproblem nebenbei in etwa wieder ausgleichen. Das bieten aber auch weit überteuerte Geräte nicht. Man laviert sich um die Problematik mit 3- und 4-Ganglösungen herum, welche in der Herstellung nicht viel mehr kosten und für den Benutzer wohl eher nervig sind, wenn sie nicht gerade seinen Spieltrieb absprechen.
Diese Aussage fehlt auch im Test: Akkukapazität ist nicht gleich Akkukapazität. Auch ein paar Worte zum Akkuverschleiß, Alterung und den einfach nur frechen Preisen für Ersatzakkus bei den Markenherstellern wären angebracht gewesen.
So wurde ein unqualifizierter Schwarz-/Weißvergleich erzeugt und man wird den Verdacht nicht los, daß sich diesen Ausgang jemand genau so "gewünscht" hat.
Das mit Abstand schlechteste Preis-/Leistungsverhältnis von allen "Testteilnehmern" bietet somit der ÖR. Wenn ich die hier festgestellte Inkompetenz und nachlässige Arbeitsweise auf die anderen Bereiche des Informationsangebotes hoch- bzw. tiefrechne und das mit meiner GEZ-Rechnung vergleiche...
Der Chef hat es auf den Punkt gebracht:
H.-A. Losch schrieb:
Das war ja mal wieder typisch Fernsehen. Ein schlampig dokumentierter Vergleich von Äpfel und Birnen mit einem letztlich ziemlich banalen Ergebnis.
Gruß
Thomas