Hallo Rob,
erst einmal Respekt, daß Du das mit der höheren Bildung im Rahmen der "Erwachsenenqualifizierung" (so hieß es zu DDR-Zeiten...) angehst. Das ist doppelt schwer und bestimmt die richtige Entscheidung. Ich wünsche Dir da viel Erfolg.
Ich habe auch mit Netz und doppelten Boden gearbeitet und dafür - wenn man so will - 2 Jahre "geopfert". Berufsausbildung mit Abitur und dann noch einen weiteren Beruf während der Armeezeit. Zumindest in den naturwissenschaftlich-technischen Ausbildungsrichtungen hat man an den DDR-Hochschulen das Körbchen sehr hoch gehangen. Viele haben es nicht geschafft und dann stand man schnell mal Mitte 20 ohne Beruf und mit einem Abitur, das praktisch nichts mehr wert war, da. Das konnte dann schon bitter sein. Andererseits: Das Abi an der Penne zu machen war weitaus komfortabler und es war auch leichter zu guten Noten zu kommen, was bei der Studienbewerbung wichtig war. Und mit 16 weg von zu Hause und im Internat hausen ist auch nicht jedermanns Traum.
> Da habe ich es mit der Angst zu tun bekommen dass ich diesen Scheiß mein Leben lang machen soll und habe beschlossen aus meiner Konfliktsituation auszubrechen.
Ich weiß, was Du meinst. Während meiner Studienzeit habe ich recht viel am Fließband gejobt. 1...2 mal die Woche zum nebenherverdienen war das ja ganz nett - aber ein Leben lang nichts anderes tun - das wäre für mich auch ein Alptraum gewesen.
> Zeitzeugen aus der DDR...
Mach mich nicht wahnsinnig. Ich komme mir schon vor, wie der Oppa, der von "damals im Kriech" erzählt... So lange ist das doch noch gar nicht her.
> die meinten die waren mit ihrer damaligen Situation ähnlich wie ihr nicht unzufrieden obwohl sie nicht in der Partei waren.
Also die Parteizugehörigkeit hatte wohl wenig mit der Zufriedenheit zu tun. Andererseits waren bei weiten nicht alle SED-Mitglieder stramme Genossen und ideologische Hardliner - ganz im Gegenteil sogar, würde ich sagen. Für Führungspositionen aber einer gewissen Ebene war die SED-Mitgliedschaft mehr oder weniger obligatorisch. Weder das Leben noch die Menschen haben sich primär dadurch geändert. Die mußten eben einmal im Monat zur Parteiversammlung und ihre Beiträge abdrücken. Karrieremäßig wurde sicher vieles einfacher. Aber nur mit dem Parteibuch alleine und vielleicht noch ein paar hohlen Phrasen kam auch keiner weiter. Wer Mist gebaut hat und zudem Genosse war, den haben sie parteimäßig zusätzlich noch mal "rund gemacht" - das konnte viel ekliger sein, als die normale disziplinarische Abstrafung. Der worst case: Gar nicht erst in der Partei zu sein, war weitgehend in Ordnung - aber aus dem Laden rausgeflogen zu sein, war wohl nicht so lustig, wie es auf den ersten Blick scheint. So gesehen haben sie ihren Stall sauber gehalten. Du darfst das nicht mit den heutigen Korruptionsclubs vergleichen, welche sich Partei schimpfen.
Unzufrieden oder auch nicht. Tja - so etwas ist immer relativ. Man kann sich auch nicht ständig fertig machen. Das hält man nicht aus bzw. es ist schade um die Lebenszeit. Die meisten haben sich irgendwie eingerichtet und das ging durchaus.
An meinem Beispiel: Für DDR-Verhältnisse kam ich ziemlich gut zurecht und war finanziell bereits als Lehrling und Student ganz gut sortiert. Somit hatte ich in gewisser Weise Grund, zufrieden zu sein. Das war ich "ja und nein". Privat durchaus - politisch hingegen in keinster Weise. Ich plante eine RF nach Studienende, nicht zuletzt weil mir klar war, daß ich an eine wirklich interessante Stelle nie herangekommen wäre, nachdem ich u.a. eine Art rückwirkende Wehrdienstverweigerung hingelegt hatte. Na ja, und die ganzen weniger netten Dinge, die ich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit über den Staat geäußert hatte, werden es auch nicht besser gemacht haben.
Wenn Du also einen ehemals begeisterten und nun traurig in die Vergangenheit schauenden Ossi suchst, bist Du bei mir falsch. Die sind auch eine seltene und aussterbende Spezies. Daß bei den meisten Ostdeutschen der heutige Staat auch nicht gut wegkommt, ist eine ganz andere Sache. Die DDR hat damit nur wenig zu tun.
> Mir wurde auch mit ein wenig Stolz berichtet dass die Bildung für jeden zugänglich und nahezu umsonst war.
Na ja, ich hoffe doch nicht, das die Bildung "umsonst" war - aber gratis oder kostenlos - das meintest Du sicher - war sie und nahezu allen Fällen. Die Kosten waren natürlich trotzdem hoch. Deshalb war der Staat natürlich gar nicht begeistert, wenn die gut ausgebildeten Leute die Kurve gekratzt haben.
> Die Sportförderung wurde ebenfalls positiv hervorgehoben.
Sofern es um Leistungssport geht, liegt das wohl sehr im Auge des Betrachters. Die DDR-Bonzen wollten sich damit weltweite Anerkennung "organisieren", was ja auch über weite Strecken geklappt hat - zu Lasten der Gesundheit vieler junger Menschen und mit unangemessenem Aufwand.
Bzgl. Kinder-, Jugend- und Breitensport: uneingeschränkte Zustimmung.
> Was mir hier ein wenig auffällt ist dass die Altbundesbürger immer unsachlicher werden.
Ach laß mal. Die meisten sind schon ganz in Ordnung und mit mir haben sie es zuweilen ja auch nicht leicht.
> euer Klassenfeind
Bestimmt nicht. Nur schmarotzende Beamte (nicht pauschal alle!) und korrupte Politiker sind nicht gerade meine Freunde. Selbst da halte ich es mit Schiller: "Ich weiß den Mann von seinem Amt zu unterscheiden." Vieles ist nicht so viel anders, als zu DDR-Zeiten, im 3. Reich, bei Kaisers... - die Menschen sind eben die Menschen.
Ich lasse es mir aber nicht nehmen, meinen Unwillen über diverse Mißstände in diesem Land zu äußern. Es wäre gut, wenn noch viel mehr Bürger ihre verbliebenen und schnell schwindenden Bürgerrechte dahingehend sinnvoll nutzen würden. Vielleicht werden wir in Deutschland mal so etwas wie eine Demokratie haben - aber die müssen wir uns verdienen. Und auf einem Ohr höre ich besonders schlecht: "Halt die Klappe und sei dankbar." Wofür eigentlich - liebe Stammtischstrategen?
Ein passendes Zitat vom Michael Mittermeier zum Schluß:
"Was jammert ihr im Osten eigentlich immer so? Ihr habt seit 1990 eine Demokratie – das haben wir in Bayern nie kennengelernt."
Ach ja - die Rächtschreipfähler:
a) sind eh Wurscht
b) könnte man die editieren, solange noch kein anderer gepostet hat, wenn es einen wirklich stört
Gruß
Thomas