Wie funktioniert die Stromregelung bei einem MIG/MAG-Gerät

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TomWeld

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Hallo zusammen,
ich habe als Neuling im MIG/MAG-Schweißen mal eine technnische Frage: Bei den meisten MIG/MAG-Geräten gibt es einen Regler für die Spannung (meist in Stufen) und einen stufenlosen Regler für den Drahtvorschub. Oftmals steht in Beschreibungen, dass dieser Regler Strom und Drahtvorschub gleichzeitig regelt.
Meine Frage ist nun: Wie funktioniert das bei einem klassisch aufgebauten Schweißgerät (wie z.B. meinem Union Carbide VI-250): Dort finde ich einen Schütz der Strom auf einen ganz normalen Drehstromtrafo gibt mit Primärwicklungsabgriffen, die über den Stufenschalter geschaltet werden. Hinter der Sekundärwicklung kommt eine ganz normaler Drehstromgleichrichter und eine große Drossel - das wars. Dort ist zwar auch eine Plantine mit etwas Elektronik drin (nichts weltbewegendes). Ich kann aber keine wirklichen Bauteile sehen, die irgendwie etwas im Schweißstromkreis regeln.
Ich frage mich auch wie so etwas gehen sollte. Vereinfacht stelle ich mir vor, dass der Lichtbogen beim Schweissen einen gewissen ohmschen Widerstand hat (Wahrscheinlich abhängig von vielen Faktoren - u.a. von der Länge des Lichtbogens). Wenn ich also die Spannung verändere, ist der Strom direkt gekoppelt. Außerdem wird der Drahtvorschub einen Rolle spielen.
Gibt es also eine wirkliche Regelung in einem MIG/MAG Gerät, die unabhängig von der Spannung den Strom regelt - wie soll das rein vom ohmschen Gesetzt gehen. Kann mir das jemand erläutern.
Danke und Gruß, Thomas
 
Bei MIG-MAG - Schweißgleichrichtern reicht ein Trafo mit mehreren Abzapfungen und ein angeschlossender Gleichrichter aus. Das Gerät regelt nichts. Die Stromregelung findet im Lichtbogen statt. Das Schweißgerät ist nur sehr niederohmig ausgelegt, so dass die Spannung bei Laständerung fast konstant bleibt oder nur relativ leicht abfällt. Das MUSS bei MIG/MAG im Gegensatz zu WIG und Elektrode so sein, weil sonst die innere Regelung der Lichtbogenlänge nicht funktioniert.

Diese Regelung funktioniert so:
Das Gerät ist auf eine bestimmte Spannung und auf einen bestimmten Drahtvorschub eingestellt. Der Einfachheit beginnen wir die Prozessbetrachtung in einem Stabilen Zustand, also einem stabilen Gleichgewicht aus Spannung, Stromstärke und Drahtvorschub. Wenn sich aus irgendeinem Grund die Lichtbogenlänge ändert, weil z.B. der Schweißer den Abstand des Brenners erhöht, erhöht sich der Widerstand des Lichtbogens. (annähernd proportional) Damit sinkt nach ohmschem Gesetz die Stromstärke. Das bewirkt wiederum, dass im Lichtbogen weniger Wärme frei wird. Darauf folgt, dass der Draht langsamer abbrennt. Weil der Drahtvorschub aber konstant ist, während der Draht langsamer abbrennt, wird der Lichtbogen wieder kürzer. Annähernd so kurz wie vor der Verlängerung des Lichtbogens.
Der Gesamtwiderstand aus Lichtbogen, Masse- und Brennerkabel, Sekundärspule des Trafos etc wird also system bedingt relativ konstant gehalten. Weil durch die annähernd konstante Kennlinie des Schweißgerätes die Spannung auch annähernd konstant ist, ergibt sich zu jeder Spannung eine korrespondierende Stromstärke. Analog ist es, wenn der Schweißer mit der zittrigen Hand den Lichtbogen verkürzt. -> weniger Widerstand des Lichtbogens->höhere Stromstärke-> mehr Wärmeerzeug, Lichtbogen brennt sich wieder frei auf annähernd die alte Länge.

Nur wenn man es ganz doll übertreibt mit der Abstandsänderung des Brenners, ändert sich trotz konstanter Schweißstromquellenkennlinie und innere Lichtbogenlängenregelung die Stromstärke. Der Trick ist der, dass das freie Drahtende, das aus der Düse herausschaut länger wird, wenn der Brenner weiter weg gehalten wird. Und große Amperezahlen über einen 0,8mm-Draht bewirken einen deutlichen Spannungsabfall in diesem Drahtstück. Der Schweißer kann also durch Abstandsänderung des Brenners die Stromstärke variieren. Das geht aber nur in Grenzen und zwar aus zwei Gründen:
1. Der Gasschutz lässt bei zu großem Abstand nach
2. Der Widerstand des freien Drahtendes kann zum Innenwiderstand der Schweißstromquelle gerechnet werden. Es verändert sich also die Kennlinie. Irgendwann ist ein Maß erreicht, bei dem die Funktion der inneren Regelung nicht mehr funktioniert.

Was passiert, wenn man den Drahtvorschub ändert? Warum in Gottes Namen ändert das die Stromstärke? Wo doch gaaaar keine Verbindung der Vorschubelektrik und Trafo existiert?

Wenn der Drahtvorschub erhöht wird, wird der Lichtbogen zunächst mal kürzer. Dabei verringert sich der Widerstand des Lichtbogens annähernd umgekehrt proportional. Das erhöht bei annähernd konstanter Spannung des Schweißgerätes die Stromstärke. -> Mehr wärme-> Lichtbogen brennt schneller ab. Es stellt sich ein neues stabiles Gleichgewicht aus Schweißspannung, Drahtvorschub, Lichtbogenlänge und Stromstärke ein, bei dem im Endeffekt der Lichtbogen kürzer und die Stromstärke höher ist.
 
Hallo Kar,

ganz herzlichen Dank für Deine sehr verständliche und ausführliche Antwort. Jetzt ist mir das Prinzip klar. Ich hatte schon Bedenken, dass es tatsächliche eine aktive Regelung gibt. Ohne Regelung kann bei alten Schweissgeräten auch nicht viel kaputt gehen (außer die Regelung der Drahvorschubgeschwindigkeit).

Thomas
 
Gott sei dank findest du die Erklärung verständlich. Hatte mir die später nochmal durchgelesen und mich gefragt, ob ich die Erklärung verstanden hätte, wenn es mir ein anderer geschrieben hätte und habe dann ein bisschen gezweifelt. :lol:
 
Das hat er aber schön erklärt!!
Selbst ich als nicht Elektriker kann nun nachvollziehen warum das so funktioniert.
Was bist du von Beruf Kar?

MfG RMX
 
kar schrieb:
2. Der Widerstand des freien Drahtendes kann zum Innenwiderstand der Schweißstromquelle gerechnet werden. Es verändert sich also die Kennlinie. Irgendwann ist ein Maß erreicht, bei dem die Funktion der inneren Regelung nicht mehr funktioniert.
Zum Rest sag ich mal nichts, aber das o.g. musst Du mir mal genauer erklären...
Freies Drahtende? Widerstand?
 
Henniee extra für dich:


Beim Schutzgasschweißen guckt ja ein Stück Draht vorne aus der Stromdüse heraus. Gehst du mit dem Brenner weiter weg und regelt sich der Lichtbogen auf annähernd gleiche Länge wie vorher, dann wird das freie Drahtende länger. Der Widerstand dieses freien Drahtendes hängt von seiner Länge, dem spezifischen Widerstand des Drahtmaterials und dessen Querschnitt ab. Wir haben hier irgendeine Legierung die vorwiegend aus Stahl besteht, was schon mal einen relativ hohen spezifischen Widerstand bedeutet. Dann haben wir einen ziemlich geringen Querschnitt. Zu allem Überfluss erhöht sich der Widerstand auch noch beim Erhitzen.

Widerstand des freien Drahtendes = (spezifischer Widerstand*(1+Linearer Temperaturkoeffizient*Temperaturdifferenz))*Drahtlänge/Querschnitt
=(0,15Ω · mm2/m * (1+0,00561/K*1000°C))*0,01m*0,5mm2=0,0197Ω


Wegen U=I*R fällt hier bei einer Stromstärke von 100 Ampere immerhin eine Spannung von fast 2 Volt ab. Wenn man die Schweißspannungen am Gerät bei verschiedenen Leistungsstufen misst, sieht man, dass diese 2 Volt je nach Gerät mehrere Leistungsstufen überspringen können.

@ RobMX246
Danke danke. :D
Habe mal Informatik studiert bin aber technisch interessiert und weil ich auf dem Bauernhof aufgewachsen bin, hat das Handwerk für mich einen sehr hohen Stellenwert. Wobei ich manchmal echt überlege, ob Schweißen eher Handwerk oder eher Kunst ist, wenn ich mir so manche Arbeiten anschaue. :respekt:
 
Sorry kar, aber Deine Formel ist völlig fern ab jeder Praxis.

Von delta t mit 1000°C auszugehen ist schon völlig sinnfrei.
Kupfer hat einen Schmelzpunkt von ca. 1083°C - schmilzt Deine Stromdüse beim Schweißen, oder glüht sie auch nur?
Der Draht ist idR (SGII) verkupfert. Das sollte sich wesentlich pos. auf den rho auswirken als man denkt (Wirbelströme neigen dazu, sich nach außen auszudehnen)..

Rechne Dir doch mal Rges für die Masseleitung aus. Du gehst bei rho von einem cm Drahtabstand aus - die Kontaktwiderstände etc. pp. sind jenseits Deiner 0,0x Ohm - teilweise sind die Potenzialpunkte Meter entfernt.. (!) .
Jan hat hier mal ein paar Messergebnisse mit einem Präzisionswiderstandsmessgerät gepostet, das war sehr interessant.
Ich würde hier auch nicht von einem ohmschen Widerstand, sondern von einem differentiellen Widerstand ausgehen.

Hast Du Dein Studium (erfolgreich) beendet??
 
Hallo zusammen.
Ich glaube ich habe das immer noch nicht ganz verstanden.
Die innere regelung leuchtet mir nach der obigen Erklärung ein. Ich habe mich mal an einem Panasonic MAG-Schweißgerät versucht (YD-350 GR3). Wenn ich das richtig erkannt habe konnte man dort aber nur den Strom (und eben nicht den Drahtvorschub) einstellen. Aber das macht doche eigentlich keinen Sinn wenn der Strom variabel ist um eine Längenänderung des Lichtbogens auszugleichen, oder??
Irgendwie blicke ich da nicht so ganz durch... :kp:

Ich hoffe ihr versteht mein Problem und könnt mir helfen...

Danke schon mal!!

Sarah
 
Da wir nicht alle Schweissgeräte kennen, kannst du ein Bild vom Bedienteil deines Panasonic hier einstellen?
Wenn du im Netz ein gutes Bild kennst, kannst du auch den Link setzen. Macht aber nur Sinn, wenn das detailliert die Feinheiten erkennen lässt.


Zu den Schweisstrafo ohne Elektronik: Der Schweissstrom ist überwiegend von den Eigenschaften des Trafokerns geprägt:
Wenn ihr suchen wollt, Stichworte: harte/weiche Trafokennlinie oder Kurzschlussspannung/Sättigung. Am deutlichsten wird das bei den Teilen wo ihr per Handrad und Spindel den Luftspalt des Trafokerns ändert und so den Strom einstellen könnt.

Bei den Geräten mit "normalem" Schweisstrafokern wird durch Umschalten der Anzahl Windungen auf der Trafospule der Schweissstrom beeinflusst. Die Abhängigkeit zwischen der Anzahl der Windungen und des daraus resultierenden Schweissstrom ist die Trafokennlinie.

Das ist eine sehr stark vereinfachte Erklärung :!: Wer es genau wissen möchte kann sich ja eingehender damit beschäftigen.



MfG Hainbuche
 
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