Herstellung eines Drehmeißels

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Raubsau

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Ich hab eine PN erhalten mit der Bitte die Herstellung eines Drehmeißels oder besser gesagt eines Wendeplattenhalters sowie eine Allgemeine Anfrage über das was ich grad so treibe etwas zu beschrieben, der Bitte möchte ich gern nachkommen.

Hier also ein aktuelles Projekt von mir. Alfred hat sich ja letztens im "Welches Werkzeug habt ihr euch kürzlich zugelegt"-Thread etwas drüber amüsiert was ich mit CCGT1204-Wendeplatten vorhabe, sind ja dicke Dinger, hier die Antwort:

Alles fängt mit einem Stück Stahl an. Man kann nehmen was man grad da hat, selbst billiger S235 (alt St-37) funktioniert. Ich habe einen Rest 16MnCr5 oder C45, da bin ich mir nicht so ganz sicher, in etwa 110mm lang und 22x22mm im Querschnitt. Den Fräse ich erstmal aufs erforderliche Maß. In der Breite nehme ich nicht viel ab, jeweils nur 0,5mm als Schlichtspan damit ich eine gute Oberfläche habe. Für die großen Platten braucht man schon ordentlich "Fleisch". Für die Höhe nehme ich mehr ab, ich kann nur Meißel mit max. 19mm Höhe in meinen Halter spannen und noch auf Mitte bekommen, alles andere wäre zu hoch. Ich wähle also eine Schafthöhe von 18mm. Das sind aber alles recht tolerante Maße, man braucht nicht aufs Zehntel genau zu arbeiten. Auch die 1. Stirnfläche wird mit dem 16er Schruppfräser sauber gefräst. Bisher keine große Sache.

CAM00050.jpg
CAM00051.jpg

Bereich 1-Braun:
Nun verdrehe ich den 0815-Schraubstock (hab absichtlich nicht meinen Niederzugschraubstock und das Sinuslineal für die Winkel genommen, hat ja nicht jeder) um 5° und spanne das Teil zusätzlich noch leicht schief von der Horizontalen ein. Das hat den Sinn dass ich die "Nebenfreifläche" (Freifläche FF der NS am obigen Foto) in einem Zug fräsen möchte. Das mache ich ebenfalls mit dem 16er Schruppfräser, ziehe aber dann mit dem 12er Schlichtfräser noch einen feinen Span runter.

Kleiner Einschub: Wendeplattenbezeichnungen nach Iso
Ich hab eine Platte Form C, also einen Rhombus mit 80° an beiden Schneidecken. ich wähle 5° als Einstellwinkel, das ergibt mit den 80° einen Nebenfreiwinkel von 5°. So kann ich am Schluss eines Spans die Planfläche durch simples "zurückfahren" des Werkstücks erstellen.
(siehe Bild b)

Bereich 2-Violett:
Nun kommt der 1. Span des Wendeplattensitzes. Erst muss man sich überlegen welchen Fräserdurchmesser man wählt. 1/3 der Wendeplattenlänge ist ein guter Richtwert, meine hat eine Schneidenlänge von 12mm und ich nutze einen 5er weil mein 4er nicht mehr der schärfste ist und ich nur 4-Schneider für Stahl nutzen will.
Man lässt den Schraubstock dabei an den 5°, spannt das Teil aber horizontal ein (Parallelunterlage verwenden). Nun bringt man etwas Anreißlack oder Edding auf, legt die Platte passend hin und reißt sich die rechte Kante der Nut mit einer Anreißnadel an. Wer einen Höhenreißer hat ist hier im Vorteil. Danach fräst man die Nut, am besten auf mehreren Durchgängen. Meine Wendeplatten sind 5,2mm dick, genauso tief wird die Nut. Die Position der Nut ist nicht so kritisch. Liegt man falsch muss man später noch die Stirnseite nacharbeiten (Bereich 1 - braun) oder die Nut nochmals nachfräsen. Ich habe das übrigens mit der Y-Achse gemacht.
Nun siehts so aus:
CAM00025.jpg
Ist die Nut fertig darf die Einstellung des Fräsers in Z nicht geändert werden bis der nächste Schritt abgeschlossen ist!!!
Die Qualität des Fotos tut mir Leid, hatte Schmiere auf der Linse und es nicht bemerkt.

Bereich 3-grün:
Wenn die Nut passt verdreht man den Schraubstock um 5° in die andere Richtung, von der jetzigen Position weg also 10°. Mit der X-Achse der Fräse arbeitet man nun von links nach rechts den Plattensitz aus. Ich arbeite dabei in Schritten von 0,25mm mit dem 5er Fräser. Auch mit nicht spielfreien Spindeln kann man bei den Zustellungen und moderatem Vorschub Gleichlauffräsen was bei anderen Plattensitzen praktisch sein kann. Zum Schluss geht die Zustellung bei mir auf 0,1mm zurück. Die Wendeplatte lege ich immer wieder zum Probieren ein, fertig ist man wenn die Ecke der Unterseite der Wendeplatte mit der des Sitzes übereinstimmt. Dass vorn ein kleiner Bereich stehen bleibt (Bereich 4) ist normal, dazu später mehr.
CAM00027.jpg

Nun kann der Fräser aus- und ein Bohrfutter eingespannt werden. Das Gewinde für die Wendeplattenschraube muss angefertigt werden. Dazu lege ich die Platte in ihren Sitz und spanne einen spitzen Kantentaster ein, den hab ich so bei Chronos in einem Set gekauft und die spitze vorn am Schleifbock abgeschliffen damit sie nicht anstößt.
CAM00031.jpg

Nun brauchts etwas Gefühl in den Fingerspitzen. Die Position des Loches bestimme ich indem in die Platte mit der Hand im Sitz halte und so lang in X und Y verfahre bis ich nur mehr einen leichten Übergang am Kantentaster erfühlen kann, dieser sollte so liegen dass die Platte später von der Schraube in ihren Sitz gedrückt wird. Die "Abweichung" von der Wendeplattenbohrung weicht dabei nur um ca. 0,05mm von der späteren Bohrposition ab, das ist aber wichtig damit die Platte gut sitzt und der Sitz die Schnittkräfte aufnehmen kann.
CAM00033.jpg

Nun bohrt man mit einem Zentrierbohrer an, setzt die Bohrung (bei mir 4,2mm für M5, ist aber plattenabhängig) für die Schraube, senkt sie an und schneidet das Gewinde. Den Gewindebohrer dabei ins Bohrfutter spannen und das Gewinde so händisch per drehen am Futter reinschneiden. ZEIT LASSEN!! Bei einem abgebrochenen Zentrier- oder Gewindebohrer beißt man sich jetzt richtig in den Ar..., ist mir schon passiert und ich konnte ihn damals nur mit Glück noch rausmeißeln.

Wenn das Gewinde passt kann man den Rohling jetzt ausspannen, die Fräse brauchen wir nicht mehr.

Jetzt wird er noch fertig entgratet, das macht man am besten mit einer Feile. Ein Satz Schlüsselfeilen macht hier Sinn, es müssen nirgends dicke Fasen drauf sein aber Grate an einem Zerspanungswerkzeug gehen mal gar nicht. Auch der Sitz soll gratfrei sein. Die "Hauptfreifläche" des Halters, oben am Foto Bereich 4, wird ebenfalls gefeilt. Sie hängt mit 5-10° nach hinten, den genauen Freiwinkel der Platte muss man nicht erwischen. Zum Schluss Öl und/oder Kreide auf die Schlichtfeile bringen macht schöne Oberflächen.

Den Meißel kann man noch brünieren, dann ist man fertig!

Die Wendeplattenschrauben mache ich oft selbst da fertige recht teuer sind. Als Rohling nehme ich Inbus oder Torx-Senkschrauben, spanne sie in die Drehbank und drehe mit der Nebenschneide meines Kopierdrehmeißels den Kegelwinkel von ca. 60° an. Auch den Kopfdurchmesser mache ich etwas kleiner.
CAM00041.jpg

Nun ist der Meißel fertig und kann verwendet werden.
 
Mit den CCMT-Platten macht er in 42CrMo4 hervorragende Oberflächen
CAM00047.jpg

In Alu schlagen sich die CCGT auch hervorragend
CAM00046.jpg
Wobei die Oberfläche jetzt nicht der Knaller ist, dafür gibts keine Aufbauschneide mehr wie beim vorhin gezeigten Kopierdrehmeißel mit den Platten für Stahl.

Und was mir wichtig war: Die Schnittkräfte mit den CCGT-Platten sind wirklich klein und die Oberflächen auch in 42CrMo4 sehr sauber - also ideal zum Drehen von Passungen
CAM00045.jpg

Fragen und Anmerkungen sind erwünscht, viel Spaß beim Nachbau sofern das jemand vorhat!

Übrigens: Der Schraubstock kommt von Kami und kost um die 60€, Testbericht folgt
http://www.kami-maschinen.de/werkzeugmaschinen/schraubstoecke/schraubstock-km-125.html
 
Hi,

siehste - geht doch.
Sowas will man sehen ! :)

---
hast Du so den Schraubenkopf nachgedreht - oder ist das ein gestelltes Bild ?
Würde da so kurz wie möglich spannen - damit's nicht federt und die Schraube oder schlimmer noch, die Platte zerlegt.

Gruß, Glatisant
 
Hallo,
ist immer interessant solche Eigenbauten zu sehen!
Aus Zeitgründen kaufe ich mir allerdings meistens was so gebraucht wird fertig, was es nicht passend gibt muss man sich dann bauen.
Die Abstechhalter für gängige Klingen gibt es ab 26mm Schwerthöhe, bei meinen Multifix Größe A sind diese zu hoch, also habe ich die Halter soweit abgefräst dass sie passten.

Auf dem letzten Bild ein "Beifang" eines Kaufes, ein 40 mm hoher Halter für runde Platten habe ich auf 12er Niveau gefräst und geschliffen, das Teil war verdammt hart.
 

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@Glatisant
Das Bild ist gestellt. Sollte man vielleicht erwähnen, normalerweise spann ich die Schrauben kürzer ein und nutze eine verlorene Spannzange (=geschlitzte Aluhülse) damit ich das Gewinde nicht mit dem Futter beschädige.

@Alfred
Ich kauf vieles fertig. Die Platten wollt ich aber haben weil sie eben so günstig sind und bei mir machen die Werkzeugkosten schon einiges aus. Jetzt hab ich sicher 2 Jahre Ruhe.

Das Problem in dem Fall war aber ähnlich wie deins, die fertigen Meißel gibts ab 20mm Schafthöhe. Kauf ich jetzt so einen ists ein Lotteriespiel ob der Schaft nicht hart, randschichtgehärtet oder durchgehärtet ist - einen Fräser hab ich mir an sowas schonmal gekillt.
Mit Versand bin ich bei einem gebrauchten auch schnell 30€ los, so kostet er mich 1€ oder so fürn Stahl, bisschen was fürn Verschleiß und das Brüniermittel und ein paar Cent für die Schraube und gut.
 
Hi,

Raubsau schrieb:
@Glatisant
Das Bild ist gestellt. Sollte man vielleicht erwähnen, normalerweise spann ich die Schrauben kürzer ein und nutze eine verlorene Spannzange (=geschlitzte Aluhülse) damit ich das Gewinde nicht mit dem Futter beschädige.

ich verwende um Schrauben zu spannen geschlitzte Muttern

Gruß, Glatisant
 
@raubsau: Toller Beitrag, danke.
@glatisant: Ich hab keinen Plan vom Drehen, auf der Liste steht ganz oben eine Drehbank, aber "dreht" sich dann nicht die Schraube im Backenfutter, zumindest bis sie nicht mehr kann?
 
@henniee:

Geschlitzte Mutter auf die Schraube / das Gewinde drehen und die Mutter dann ins Dreibackenfutter einspannen. Durch den Sechskant der Mutter ist das ideal im Dreibackenfutter, da gleich die passenden Spannflächen vorhanden sind.
Wegen dem Schlitz in der Mutter legt sich die Mutter durch die Spannkraft des Backenfutters genau um das Gewinde der Schraube und spannt diese so.
Für die Gewindeflanken ist diese Methode schonender, da die Kraft auf die komplette Gewindefläche übertragen wird.
Würde man das Gewinde direkt ins Backenfutter spannen, würde es durch die punktuelle Belastung beschädigt werden.
 
Hi,

@Janik
besten Dank für die Erklärung ! - so mußte ich nicht viele Worte verlieren :wink:

Ich drehe im Zweifelsfall zwei geschlitzte Muttern mit etwas Abstand drauf, damit sitzt die Schraube dann wirklich absolut fest im Dreibackenfutter.

Gruß, Glatisant
 
Das war mir schon klar, dass es um Die "Schonung" des Gewindes geht.
Es bedeutet aber, dass sich die Schraube noch immer drehen könnte.
Angenommen, ein 3-Backenfutter hätte zum Antrieb hin ein Loch, würde sich dann nicht die Schraube "reindrehen"?
Oder raus - wenn man "linksdreht" :wink:
 
Durch den Schlitz in der Mutter lässt sich diese durch das Backenfutter zusammenpressen (Durchmesser wird kleiner) und presst somit die eingeschraubte Schraube fest.
Wie bei den Pressfittingen, ungepresst lässt sich das Rohr im Fitting drehen, wird der Fitting gepresst, lässt sich nichtsmehr drehen :wink:

henniee schrieb:
Angenommen, ein 3-Backenfutter hätte zum Antrieb hin ein Loch...
In der Regel sind alle Backenfutter in der Mitte mit einem Durchlass versehen, damit man auch längere Werkstücke bearbeiten kann.
Wellen z.B. werden dann einfach durch die komplette Maschine durchgesteckt :wink:
 
Es ist völlig wurscht ob da eine Hülse oder eine Mutter oder nix dazwischen ist. Die Drehteile werden im Dreibackenfutter IMMER nur auf Reibung gehalten, vorausgesetzt man hat halt nicht grad einen Sechskant drin. Wenn das Futter es schafft eine dicke Welle zu halten von der ein paar Späne abgeschruppt werden sollen dann kann es auch eine Mutter zusammendrücken ohne dass sich die Schraube dreht. Da das Gewinde einen Flankenwinkel hat (60°) hält es die Schraube durch die Keilwirkung noch besser als eine Hülse.

Ich nutze bei den kleinen M4 und M5-Schrauben halt lieber Hülsen weil mir das mit den kleinen Muttern zu fummelig ist.

Edit: Also jedes Werkstück könnte sich im Backenfutter noch verdrehen wenn dieses nicht fest genug spannt. Da muss ich mir aber nichtmal bei meinem 125mm Futter aus dem Reich der Mitte Gedanken machen, bisher hats alles brav gehalten.

Edit²: Mutter schlitzen, auf Schraube drehen, ordentlich (!) in den Schraubstock spannen. Ich kann so bei einer entsprechenden Schraube sicher meine kleine Werkbank mit einer Knarre verdrehen ohne dass sich die Schraube in der Mutter rührt.

Beim Drehen werden aber i.d.R. nicht so hohe Momente frei, grad bei den kleinen Drehmaschinen nicht.
 
Hi,

ergänzend zu Janiks Antwort ein Bsp.-Bild ...



die Rillen der Mutter drücken sich ja in die 'Rillen' der Schraube.
Das ist so wie bei einer Spannzange - diese hält einen Fräser ja auch in der Oberfräse absolut fest.
Im Fall der geschlitzen Mutter ist die Formgebung ja sogar günstiger (viel Reibfläche)

Gruß, Glatisant
 
Thema: Herstellung eines Drehmeißels

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