Gefahren von "Chemischen Keulen", hier: Rohrreinig

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Mugel

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Effiziente chemische Rohrreiniger wie z.B. SANIT RohrReiniger (Dank an Moto für den Link!),an anderer Stelle hier im Forum schon diskutiert, erfreuen sich auch im häuslichen Gebrauch größer werdender Beliebtheit.

Das Gefahrenpotential, dass aus diesen Produkten hervor geht, ist jedoch nicht zu unterschätzen.

Das vom Hersteller zur Verfügung zu stellende "EG-Sicherheitsdatenblatt" (auch auf Motos Seite verlinkt) ist bei der Beurteilung des Produkts hilfreich. Man sollte sich das ruhig vorher ansehen, damit man weiß, worauf man sich einlässt.

Eure Körper bestehen grundsätzlich aus den gleichen organischen Verbindungen, die Ihr in Eurem verstopften Rohr auflösen wollt. Die zerstörerische Wirkung des Mittels auf das Körpergewebe ist kaum zu übertreffen. Bei direktem Kontakt sind schwerste Verätzungen zu erwarten. Langwierige, schmerzhafte Wunden und Entstellung von Gesicht / Gliedmaßen sind die tragischen Folgen.

Insbesondere die Augen sind gefährdet. Schon oft haben Personen durch Unfälle beim Hantieren mit solchen Chemikalien Augen verloren. Bei der Verwendung größerer Mengen, können die Verätzungen lebensbedrohlich sein.

Prävention lautet das Zauberwort:

- Schutzbrille tragen!

- Keine Kleidung aus Kunstfaser tragen - diese kann bei Berührung mit dem Reiniger reagieren und schmelzen!

- geeignete Spülmöglichkeiten (wie im Weiteren beschrieben) vorhalten!

- Anschrift nächster medizinischer Notfallversorgung vorhalten

- umsichtig und mit Bedacht agieren!



Das Mischen verschiedener Reiniger ist unbedingt zu vermeiden. Unter Umständen können dadurch giftige Gase freigesetzt werden.

Keinesfalls
sollte man alkalische Reiniger und Säuren direkt miteinander vermischen. Neben der toxischen Gefahr kommt es zu einer heftigen chemischen Reaktion, die in einer Explosion münden kann. Hierbei sind durch das Umherspritzen der Flüssigkeit schlimme Verätzungen kaum zu vermeiden.

Ist man auf Reinigung in zwei Phasen (alkalisch zum Lösen des organischen Materials - z.B. Lebensmittelreste - und Säure zum Lösen von Kalk und Laugenstein usw.) angewiesen, muss man unbedingt nach dem Laugen mit viel klarem Wasser spülen, bevor man die Säure einsetzt.

Die meisten angebotenen Rohrreiniger enthalten viel Natriumhydroxid (NaOH, auch bekannt als "Ätznatron") oder vergleichbares.

Dieses alkalische Reinigungsmittel, wie auch seine "Verwandten", ist stark ätzend und hygroskopisch (zieht Wasser an). Hierdurch klebt es am Körpergewebe fest und es löst sich unter hoher Energiefreisetzung (starke Wärmeentwicklung) im Wasser (hier: Körperflüssigkeit) auf.

Die Lauge ist sehr nachhaltig und ätzt sofort! Auch in stark verdünnter Form ist die Wirkung nicht zu unterschätzen.

Ich habe ständig im Beruf damit zu tun (beliebtes Reinigungsmittel in der Lebensmittelindustrie) und selbst auch schon schlechte Erfahrungen damit gemacht.
Unfälle in diesem Zusammenhang sind leider immer noch häufig.
Die Umstände hierfür begründen sich meistens in leichtsinniger Unbedarftheit, hervorgerufen entweder aus Unerfahrenheit oder aber aus Abstumpfung durch Gewohnheit.

Beim Verdünnen von festem Natriumhydroxid (Pulver, Granulat, Pellets) mit Wasser wird sehr viel Energie frei.
Lässt man heißes Wasser zu dem Pulver laufen, kann die Lauge spontan explosionsartig übersieden und bis zur Zimmerdecke hochschießen - alles schon erlebt!

Flüssige Produkte haben den Vorteil, dass sie beim Verdünnen mit Wasser nicht so viel Energie frei setzen wie feste. Die Gefahr des Übersiedens und Hochschießens ist daher geringer. Auszuschließen ist dies aber auch hier nicht.

Deshalb: immer kaltes Wasser verwenden !!!


Mit dem Reiniger verschmutzte Kleidung sollte man sofort ausziehen; hierbei besondere Obacht, dass man beim Überdenkopfziehen nichts ins Gesicht oder gar in die Augen bekommt.

Duschen ist auch wichtig. Aufgrund der Nachhaltigkeit solcher Laugen kann auch eine ganz geringe auf dem Körper verbleibende Menge eine sehr unangeneme Verätzung ergeben.

Ein Körnchen oder Tröpfchen im Auge, nicht sofort sachgerecht erstversorgt und schnellstmöglich beim Augenarzt nachbehandelt, und das Auge kann dahin sein !!!


Sofortiges gründliches Auspülen mit kaltem Wasser ist unabdingbar!

Es ist schwierig, in so einer Stresssituation (starke Schmerzen, Angst) richtig zu reagieren.

Das wichtigste: sofort !!!

Die effizienteste Erstversorgung ist das Ausspülen mit fließendem Wasser oder, noch besser, mit einer puffernden Spüllösung.
Diese bekommt man z.B. in Form von Augenduschflaschen (Bedienungsanleitung im Voraus durchlesen!) im gut sortierten Fachhandel, z.B. bei Handwerkerausrüstern, die auch Erste Hilfe-Artikel führen, ggf. auch in der Apotheke.

Zu Hause, unter einem installierten Wasserhahn ist das Spülen schwerlich möglich. Ein Gartenschlauch geht sehr viel besser, steht aber in der Wohnung nicht unbedingt zur Verfügung. Im Bad kann der Duschkopf verwendet werden. Gut funktioniert auch eine Tüte Milch. Diese kann wie eine Augenduschflasche verwendet werden und die Milch puffert die Lauge sogar besser als Wasser. Eine saubere Gieskanne mit kaltem Wasser tut es auch.

Es ist wichtig, von der Gesichtsmitte aus nach außen hin zu spülen, um nicht durch das Spülen das andere Auge noch zu gefährden.
Das betroffene Auge muss beim Spülen offen sein. Um das unter Stress angemessen unterscheiden zu können, sollte man das andere Auge schließen und sich zwingen, mit dem betroffenen Auge in den wohldosierten Wasserstrahl zu schauen; im Zweifelsfall mit den Fingern nachhelfen und das Augenlied öffnen.
Anstellereien wie "Ich kann nicht, weil das Wasser zu kalt ist!" oder "... weil es so weh tut!" sind völlig fehl am Platz - man MUSS einfach, will man das Auge erhalten !!!
Deshalb sollte man das ruhig mal üben (das Spülen, nicht das Verätzen!). Ihr werdet sehen, dass es gar nicht so einfach ist.

Auch nach erfolgreicher Erstversorgung sollte man sicherheitshalber unverzüglich einen Arzt aufsuchen. Im Falle von Augenverätzungen ist das ein absolutes MUSS !!!
Man sollte das Sicherheitsdatenblatt, mindestens aber den genauen Produktnamen und den Hersteller (Verpackung mitnehmen!), dem Arzt vorlegen können. Nur so kann er schnell angemessen handeln.

Und immer dran denken:

Schutzbrille tragen !!!

Und: es nützt einem gar nichts, dass es 10.000 Mal gut gegangen ist, wenn es einmal schief geht !!!



Kontaminierte Kleidung ist ggf. zu retten. Meistens ergibt sich jedoch Lochfraß. Man sollte zunächst gründlich in einem alten Wasserbad spülen und anschließend bei geringer Temperatur waschen, jedoch ohne weitere Kleidung, denn es kann sein, dass man sonst auch diese zerstört.


Beste Grüße
Mugel
 
Hier fehlt definitiv ein "Daumen hoch Smilie".


Meine Eltern haben auch Kiloweise das Zeug hier rumstehen.
2 Flaschen im Abstellraum und eine im Badezimmer und eine im GästeWc .

Da wird auch teilweise recht unvorsichtig mit umgegangen .. :roll:


Augendusche finde ich persöhnlich angenehm .. hab ich schon öfter gemacht . Teilweise einfach nur irgendwelche Holzspäne reinbekommen die nicht rauswolten oder auch schon Benzin ..
DIe Idee mit der Milch find ich sehr gut !
 
Mugel schrieb:

Kontaminierte Kleidung ist ggf. zu retten. Meistens ergibt sich jedoch Lochfraß. Man sollte zunächst gründlich in einem alten Wasserbad spülen und anschließend bei geringer Temperatur waschen, jedoch ohne weitere Kleidung, denn es kann sein, dass man sonst auch diese zerstört.

Ich meinte natürlich ein "kaltes Wasserbad" ... :ducken:
 
Thema: Gefahren von "Chemischen Keulen", hier: Rohrreinig

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