Radwechsel, Kontaktpaste auf Nabe und Radschrauben?

Diskutiere Radwechsel, Kontaktpaste auf Nabe und Radschrauben? im Forum Land- & Fahrzeugtechnik im Bereich Werkzeuge & Maschinen - Ich hoffe meine Frage passt hier halbwegs rein. Aus gegebenem Anlass: Ist hier jemand Autoexperte und kann mir sagen, wie man es richtig macht...
Ich habe heute mal Berechnungen angestellt bzgl. trocken und geschmiert verschrauben.
Die Parameter dabei waren

Anziehmoment (Vorgabe durch VW) 120Nm
Schraube M14x1.5
Mü=0.3 (trocken)

Es ergibt sich eine Vorspannkraft Fspann=44.5 kN

Drehen wir jetzt ein wenig am Reibwert und setzen für Mü=0.11 (Gewinde der Radschraube geschmiert mit Weicon Kontaktpaste)

kommen wir bei gleicher Vorspannkraft auf ein Anzugsmoment von lediglich 50,4 Nm.
Oder anders herum gesagt, wenn wir das Anzugsmoment bei 120Nm belassen, auf eine Fspann= 105,89 kN.
Weit mehr als das Doppelte!

Diese Werte dürfen selbstverständlich nur als sehr sehr grobe Näherung betrachtet werden und dienen mehr einem Vergleich, denn als absolute Werte. Der größte Unsicherheitsfaktor ist die Reibzahl. Diese muss eigentlich für einen konkreten Fall experimentell ermittelt werden, ansonsten sind genauere Aussagen unmöglich.
Fazit daraus: auf die Herstellervorgaben hören. Und lieber mal eine korrodierte Radschraube ersetzen, als die alte geschmiert einsetzen. Dafür kann dann auch ein Aldi Drehmo für 20€ benutzt werden, der ist für diesen Zweck ausreichend genau.

Was sich in diesem Zusammenhang auch herausstellt: Ein genauer Drehmomentschlüssel ist völlig obsolet. selbst wenn das Teil weit über 10% schwankt, ist es nur ein sehr kleiner Einflussfaktor. Viel entscheidender ist etwa, dass Außengewinde der Radschraube und Innengewinde der Nabe penibel mit der Drahtbürste gereinigt werden. Ich glaube da legen die meisten Schrauber den falschen Fokus.
Die ergebnisse fand ich relativ überraschend, hatte mich damit vorher nicht näher beschäftigt.

Grüße
Julius (der weiter seine lieb gewonnenen Manoskope von Stahlwille benutzt, auch wenn er jetzt weiß, dass sie nicht der Erfolgsfaktor sind)
 
Matchless schrieb:
Was sich in diesem Zusammenhang auch herausstellt: Ein genauer Drehmomentschlüssel ist völlig obsolet. selbst wenn das Teil weit über 10% schwankt, ist es nur ein sehr kleiner Einflussfaktor. Viel entscheidender ist etwa, dass Außengewinde der Radschraube und Innengewinde der Nabe penibel mit der Drahtbürste gereinigt werden. Ich glaube da legen die meisten Schrauber den falschen Fokus.
Die ergebnisse fand ich relativ überraschend, hatte mich damit vorher nicht näher beschäftigt.

Vielen Dank für diese nüchterne Aufarbeitung die für manchen reichlich ernüchternd sein dürfte :top:

PS
 
Die Anzugsmomente von Standartschraubverbindungen beziehen sich immer auf neuwertige,leicht geölte Schrauben bzw. Muttern.
siehe hier:
https://schrauben-lexikon.de/td3-werkstoffe-stahl.asp
vor allem pkt.3.4.4,da sieht man den geringen EIinfluss des ölens auf den Reibungskoeff.,im Regelfall überschneiden sich diese derart,dass andere Faktoren einflussgebender sind.

entscheidend sind neben der Reibung im Gewinde auch die Reibung zwischen Kopf und Gegenstück.Lange Rede kurzer Sinn: Gewinde und Senkkopf/Mutternauflagefläche entrosten und ein Hauch Schmiermittel gegen festkorrodieren schadet nicht.
 
@powersupply
Was nicht heißt, dass hochwertiges Werkzeug nicht mehr Spaß macht zum arbeiten :D
Aber die Pragmatiker unter euch können aufatmen.

@Dlawso59
Danke auch für deinen Tipp, über diesen Punkt sind wir bei der Diskussion aber schon etwas hinaus :wink:
Auch handelt es sich hier keinesfalls um eine Standardschraubverbindung, siehe Kopfform der Radschrauben. Die Gewindereibung ist hier eine gänzlich andere.

Grüße
Julius
 
Das Diskussionsthema gab es hier schon mal ... wir nutzen zumindest je nach Bedarf auch eine Montagepaste für die Radschrauben (müsste die Nr. “G 052 109 A2“ sein) und für die Radnabe ein Wachsspray (müsste die Nr. „D 322 000 A2„ sein).
 
Dlawso59 schrieb:
und was genau ist jetzt an der Gewindereibung anders weil es eine Radschraube ist?

Da hab ich natürlich Quatsch erzählt. Ich meinte die Gesamtreibung ist anders, aufgrund der kugeligen oder kegeligen Kopfform. Der Einfluss der Unterkopfreibung ist hier größer als sonst. Beim Gewinde ist lediglich zu beachten, dass es mit P=1,5 mm ein Feingewinde ist, statt dem Regelgewinde für M14 mit P=2 mm.

Es spricht nichts dagegen, die Schrauben vor dem Eindrehen mit einem öligen Lappen abzuwischen.
Zu beachten ist, dass Fette problematisch werden können, weil sie idR druckstabiler sind und eine deutlichere Schmierwirkung beim Einschrauben haben. Deshalb habe ich etwas Bauchschmerzen, wenn du von einem Hauch Schmiermittel sprichst. Da gibt es himmelweite Unterschiede.
Für Laien soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass sie einfach mit was-auch-immer-gerade-zur-Hand-ist die Schraube einschmieren können. Das geht zwar 100 mal gut, aber ein Mal nicht.
Generell ist eine Montagepaste für den Korrosionsschutz vorzuziehen. Hier herrschen einigermaßen definierte Reibwerte bei korrekter Anwendung. Deshalb auch die Reibwert-Angabe durch Weicon für das Anti Seize High Tech.
Weiterhin bleibt die Montagepaste an Ort und Stelle.
Ich empfehle also jedem, der die Schrauben nicht trocken lassen möchte, den Einsatz eines solchen Mittels. Die gibt es von zahlreichen renommierten Herstellern wie Weicon, Fuchs, Klüber. In den Mengen, wie sie hier benötigt werden, sind sie auch wirklich nicht teuer.
 
Ausgehend von einem willkürlich gewählten Wert für die Vorspannkraft von 44,5 kN (siehe oben) hier eine Wertetabelle. Links steht die Reibungszahl, rechts davon das Drehmoment, welches bei gegebener Reinungszahl notwendig ist, um auf die gewünschte Vorspannkraft anzuziehen. So ist es etwas anschaulicher, als die paar Werte, die ich weiter oben gepostet habe
 
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Ausgehend von einem willkürlich gewählten Wert für die Vorspannkraft von 44,5 kN (siehe oben) hier eine Wertetabelle. Links steht die Reibungszahl, rechts davon das Drehmoment, welches bei gegebener Reinungszahl notwendig ist, um auf die gewünschte Vorspannkraft anzuziehen. So ist es etwas anschaulicher, als die paar Werte, die ich weiter oben gepostet habe

Edit: beim ersten Post ist irgendwas schief gegangen
Bitte an einen Moderator, meinen vorherigen Beitrag zu löschen
 
Nachtrag, ich zitiere aus https://www.deprag.com/schraubtechnik/technische-informationen/anzugsverfahren/

"Wichtigste Steuergröße für das Anziehen von Schraubverbindungen ist immer das Drehmoment. Auch für viele andere Verfahren wird das Drehmoment als eine Steuergröße benötigt.

Die Problematik beim drehmomentgesteuerten Anziehen liegt ausschließlich in den schwankenden Reibbeiwerten. Dabei muss man vor allem zwischen der Kopfreibung und der Gewindereibung unterscheiden. Die Summe dieser schwankenden Reibungseinflüsse führt dazu, dass selbst bei hoher Drehmomentwiederholgenauigkeit Schwankungen der resultierenden Vorspannkraft von 50 % und mehr auftreten können.

Dies bedeutet, dass die Schraubverbindung immer so überdimensioniert sein muss, dass sie bei einer Abweichung nach oben nicht überlastet wird und bei einer Abweichung nach unten noch immer die geforderte Vorspannkraft aufbringt."

Aufgrund der starken Umwelteinflüsse an Radschraubenverbindungen gehe ich davon aus, dass hier sogar noch großzügiger kalkuliert werden muss. Gehen wir in fabrikneuem Zustand von einer Gesamtreibungszahl Mü= 0,16 aus (galvanisch verzinkte Radschraube in blanken Stahl, siehe https://decker.hanser-fachbuch.de/f...ungen/Befestigungsschrauben/Tabelle_10.7_.pdf), dann ergeben sich für 120 Nm Anziehmoment 77,7 kN Vorspannkraft pro Radschraube. Nach der Quelle von Deprag müsste die Schraube auch bei grob der Hälfte, also 40 kN noch die Verbindung sicherstellen. Jetzt ist das Auto eine Weile gefahren, Korrosion hat dem Gewinde von Schraube und dem Innengewinde der Nabe zugesetzt, die Gesamtreibungszahl erhöht sich auf 0,3. Löse ich jetzt nach dem Drehmoment auf und setze Fspann=40 kN sowie Mü=0,3 ein, komme ich auf ein Mindestdrehmoment von M= 107,7 Nm, bei welchem die Schraube immer noch halten sollte. Das ist eine Abweichung von +11,4% (nicht verwirren lassen, in Kalibrierprotokollen wird es idR so angegeben: wie viel fehlt vom gemessenen Wert zum Sollwert), gar nicht mal so viel.
Fazit:
Es ist an jedem selbst: Entweder ihr kauft euch einen hochwertigen Drehmomentschlüssel und könnt dann die Schrauben verkommen lassen...oder man kauft einen Aldi Drehmo, muss dann aber bei jedem Radwechsel schön penibel alle Außen- und Innengewinde putzen :crazy:
Im Idealfall macht man natürlich beides, guter Drehmo und saubere Schrauben. :schlaubi:

Ich habe in der Zwischenzeit übrigens Antwort von Weicon erhalten. Die Anti Seize Paste kann problemlos zur Montage von Radschrauben verwendet werden. Allerdings empfiehlt man die normale Anti-Seize Paste (anthrazitfarben), nicht die High-Tech (weiß). Auf meine Nachfrage warum und ob es am höheren Reibwert der normalen Paste liegt, kam bisher noch keine Rückmeldung. Wichtig sei auf jeden Fall, bei der Berechnung den im Datenblatt angegebenen Reibwert zu verwenden.
Vorteil bei Verwendung einer solchen Paste: ein viel engeres Reibwertfenster, um das die Verschraubung schwankt. Vor diesem Hintergrund ist auch verständlich, dass manche Hersteller - gerade für sicherheitsrelevante Verschraubungen - die Schmierung mit einem bestimmten Mittel vorgeben. Man erhält so weniger breit streuende Vorspannkräfte.
Ob es in Werkstatthandbüchern für Radschrauben auch mal solche Vorgaben gegeben hat, Schrauben geschmiert einzusetzen, weiß ich nicht. Vielleicht hat da jmd. aus der Kfz-Branche nähere Infos. Soweit ich jetzt informiert bin (hab gestern und vorgestern nochmal den ganzen Abend quer durchs Netz gelesen) gibt momentan jeder der bekannten Autohersteller vor, diese Schrauben ausschließlich trocken einzusetzen.
 
Matchless schrieb:
...Antwort von Weicon erhalten. Die Anti Seize Paste kann problemlos zur Montage von Radschrauben verwendet werden. Allerdings empfiehlt man die normale Anti-Seize Paste (anthrazitfarben), nicht die High-Tech (weiß). Auf meine Nachfrage warum und ob es am höheren Reibwert der normalen Paste liegt, kam bisher noch keine Rückmeldung.
Vielen Dank schon mal soweit. Falls da noch eine Rückmeldung kommt, wäre ich sehr interessiert.
Geschickterweise liegt bei mir in der Garage nur die weiße HighTech Paste ;(
 
Aus einem offiziellen Renault Reparaturhandbuch:

  • Die Berührungsflächen von Rad und Nabenträger mit einer Metallbürste reinigen.
  • Die Verbindungsfläche (3) [Anm.: Pfeil im Bild zeigt auf Zentrierung] des Rads mit KUPFERPASTE (siehe Fahrzeug: Teile und Betriebsmittel/Verbrauchsmaterial für die Instandsetzung)versehen.
  • Die Felgenmarkierung an der beim Ausbau gesetzten Markierung an der Nabe ausrichten.
  • Das Rad mit dem Ventil nach oben am Fahrzeugmontieren.
  • Die Befestigungsschrauben anbringen.
  • Die Radschrauben anziehen, bis die Schraubenköpfe an der Felge anliegen.
    Hinweis:
    Es existieren zwei Typen der Radschrauben für Stahl- und Alufelgen, diese nicht vertauschen.
  • Die Radschrauben mit 30Nm bei frei hängendem Rad voranziehen, beginnend mit den unteren Schrauben.
  • Das Rad um 180 ˚ drehen, so dass sich das Ventil unten befindet.
  • Das Fahrzeug auf die Räder stellen.
  • Die Radschrauben in der vorgeschriebenen Reihenfolge [Anm.: unten, oben, links, rechts] und mit dem vorgeschriebenen Drehmoment festziehen (siehe 30A, Allgemeines, Vorderachse: Anzugsdrehmoment, seite 30A-15) .
  • Die Abdeckung anbringen.


mfg JAU
 
Je länger die Diskussion hier läuft und je mehr Informationen dazu eintrudeln komme ich zum Schluß, dass das ähnlich läuft wie bei den leidigen Diskussionen zum Thema Absicherung von elektrischen Leitungen.
Dort gibt es auch immer wieder Zeitgenossen die wegen der Kurzzeitüberlastbarkeit von Sicherungsautomaten dazu tendieren vorsichtshalber im Wohnbereich auf 10A oder gar 6A herunter zu gehen...

Daher nehme ich weiterhin den billigen Pressluft Schlagschrauber den ich zum Lösen auf 4 stelle und so jede, im Gegensatz zu mancher Werkstattangezogenen, von mir angezogenen Schraube wieder auf bekomme.
Festgeschraubt wird dann auf Stufe 2, was sich im Vergleich mit den Radkreuz angezogenen Schrauben als ähnlich erwiesen hat. Selbst die dürften fester sein als von der Norm vorgesehen sind.

Das soll jetzt KEINE allgemeingültige Empfehlung sein, sondern stellt meine persönliche Erfahrung mit meinem Werkzeug und den in der Familie befindlichen Fahrzeugen dar.

PS
 
MSG schrieb:
Matchless schrieb:
...Antwort von Weicon erhalten. Die Anti Seize Paste kann problemlos zur Montage von Radschrauben verwendet werden. Allerdings empfiehlt man die normale Anti-Seize Paste (anthrazitfarben), nicht die High-Tech (weiß). Auf meine Nachfrage warum und ob es am höheren Reibwert der normalen Paste liegt, kam bisher noch keine Rückmeldung.
Vielen Dank schon mal soweit. Falls da noch eine Rückmeldung kommt, wäre ich sehr interessiert.
Geschickterweise liegt bei mir in der Garage nur die weiße HighTech Paste ;(

Ich verwende auch die weiße Anti-Seize passte und trage die wirklich hauchdünn auf (wie bei der CPU/Prozessor Wärmeleitpaste :wink:. Auf die Schraube kommt bei mir nichts. Habe mich damals bewusst für die weiße passte entschieden, da diese keine Metallteilchen enthalten soll und ich eine hauchdünne "Barriere" zwischen Stahlnabe und Alufelge haben wollte damit da keine Wechselwirkungen in Bezug auf KontaktKorrosion entsteht.
 
Do-it-myself schrieb:
Habe mich damals bewusst für die weiße passte entschieden, da diese keine Metallteilchen enthalten soll und ich eine hauchdünne "Barriere" zwischen Stahlnabe und Alufelge haben wollte damit da keine Wechselwirkungen in Bezug auf KontaktKorrosion entsteht

Dito :bierchen: :)

Und auch für VA Verschraubungen soll wohl die weiße besser sein. Viel braucht man ja eh nicht, ist sehr ergiebig
 
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, das es hier Parallelen zum Berliner Flughafen gibt... :ducken:
 
Do-it-myself schrieb:
Ich verwende auch die weiße Anti-Seize passte und trage die wirklich hauchdünn auf (wie bei der CPU/Prozessor Wärmeleitpaste :wink:. Auf die Schraube kommt bei mir nichts. Habe mich damals bewusst für die weiße passte entschieden, da diese keine Metallteilchen enthalten soll und ich eine hauchdünne "Barriere" zwischen Stahlnabe und Alufelge haben wollte damit da keine Wechselwirkungen in Bezug auf KontaktKorrosion entsteht.

Ich deklariere noch die passte in Paste um :wink:
 
wie bei den Zündkerzen habe ich im Einzelfall Graphitstaub über das Gewinde geblasen, ersatzweise kann man auch mit einem Bleistift über das Gewinde schrappen :D
 
MSG schrieb:
Matchless schrieb:
...Antwort von Weicon erhalten. Die Anti Seize Paste kann problemlos zur Montage von Radschrauben verwendet werden. Allerdings empfiehlt man die normale Anti-Seize Paste (anthrazitfarben), nicht die High-Tech (weiß). Auf meine Nachfrage warum und ob es am höheren Reibwert der normalen Paste liegt, kam bisher noch keine Rückmeldung.
Vielen Dank schon mal soweit. Falls da noch eine Rückmeldung kommt, wäre ich sehr interessiert.
Geschickterweise liegt bei mir in der Garage nur die weiße HighTech Paste ;(

Ich hab auch die High Tech und werde mich nicht zieren, diese zu verwenden. Wüsste nicht was dagegen sprechen sollte und bin auf weicons Antwort gespannt
 
Thema: Radwechsel, Kontaktpaste auf Nabe und Radschrauben?

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