Kurzprojekt: Schweißtisch Flammrichten

Diskutiere Kurzprojekt: Schweißtisch Flammrichten im Forum Projektvorstellungen im Bereich Anwendungsforen - Hallo zusammen, heute habe ich mal den Versuch gestartet, meinen Schweißtisch mit verzogener Arbeitsfläche wieder gerade zu bekommen :mrgreen...
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Janik

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Hallo zusammen,

heute habe ich mal den Versuch gestartet, meinen Schweißtisch mit verzogener Arbeitsfläche wieder gerade zu bekommen :mrgreen:

Beim Bau des Tisches habe ich damals leider ein paar gravierende Fehler gemacht und auf einmal hatte ich einen Schweißtisch mit verzogener Platte :x

Die Platte war in alle Richtungen verzogen und hatte in der Mitte einen ziemlich heftigen Buckel, was beim Bau von Rahmen doch schon sehr nervig war.

Seit mir nun eine Autogenausrüstung zur Verfügung steht und ich in der Ausbildung mit dem Thema Flammrichten, achtung Wortwitz, warm geworden bin, habe ich mich heute mal am Tisch versucht.

Die Arbeitsschritte habe ich in ein paar Bildern festgehalten.
Eigentlich wollte ich noch ein kleines Video machen aber der Akku der GoPro Kamera war leider leer.

Ausgangszustand, über die Diagonalen stört der Buckel in der Mitte schon gewaltig
Verzug-1.jpg


Zuerst habe ich mit dem langen Schenkel eines großen Flachwinkels die höchsten Punkte auf der Platte gesucht und mit Kreide markiert
Markierung.jpg


Schweißeinsatz 14-20mm auf den Brenner und Feuer frei, als Brenngas verwende ich Propan
Brenner.jpg


Als die Platte schon ordentlich Temperatur hatte, war es eine schweißtreibende Angelegenheit :oops:
Nach dem Wärmen, zwischendurch habe ich immer wieder kontrolliert. Ein paar Wärmezonen sind während des Richtens noch dazu gekommen, nicht alle im Vorraus markierten Stellen waren nötig
Flammrichten.jpg


Nach dem Abkühlen mussten nun noch die kleinen Hubbel abgeschliffen werden, die durch die Stauchung des Metalls entstehen.
Dafür eignet sich eine aggresive, nicht gekröpfte Fächerscheibe...
Winkelschleifer.jpg


...die man dank kleiner Optimierungen :oops: am Winkelschleifer schön flächig aufgesetzt verwenden kann
Faumlcherscheibe.jpg


Fertig geschliffen
abgeschliffen.jpg


100% gerade und eben ist die Platte jetzt auch nicht. An manchen Stellen war die Wirkung der Wärmezonen etwas zu stark und der Verzug geht leicht in´s Negative. Das ist aber um Welten besser als Buckel auf der Platte.
Und an den Rändern, wo man das Material beim Rahmenbau häufig auflegt und festspannt, habe ich die Platte auch relativ eben hinbekommen :wink:
eben.jpg


Jetzt warte ich mal ab, wie es sich jetzt auf der Platte arbeiten lässt. Ich gehe davon aus, dass es so schon eine große Verbesserung darstellt.
Sollte der leicht negative Verzug nach unten doch stören, kann man von der Gegenseite noch mal etwas Wärmen.

Vielleicht ist das Thema für den Ein oder Anderen ganz interessant und weckt das Interesse für dieses Verfahren.
Ich finde es jedenfalls immer wieder faszinierend, wie man mit einem Kirsch großen Wärmepunkt solch große Kräfte erzeugen kann :D
 
Janik schrieb:
Vielleicht ist das Thema für den Ein oder Anderen ganz interessant und weckt das Interesse für dieses Verfahren.
Ich finde es jedenfalls immer wieder faszinierend, wie man mit einem Kirsch großen Wärmepunkt solch große Kräfte erzeugen kann :D
Auf jeden, aber dafür wäre glaube ich notwendig, dass du das warmrichten etwas detaillierter beschreibst. Du hast also die markierten konvexen (nach oben buckeligen) Stellen einfach erwärmt und dann an der Luft wieder abkühlen lassen, oder wie? Oder noch mitm Hammer draufgewemst? Oder abgeschreckt? Wie warm hast du die Stellen gemacht? Glühend? Oder nur, bis Anlauffarben erkennbar sind? Oder gar nicht so weit sondern nur auf Pizza-Back-Temperatur?
 
Dirk schrieb:
Janik schrieb:
Vielleicht ist das Thema für den Ein oder Anderen ganz interessant und weckt das Interesse für dieses Verfahren.
Ich finde es jedenfalls immer wieder faszinierend, wie man mit einem Kirsch großen Wärmepunkt solch große Kräfte erzeugen kann :D
Auf jeden, aber dafür wäre glaube ich notwendig, dass du das warmrichten etwas detaillierter beschreibst.
Na das sollte doch kein Problem sein :wink:

Dirk schrieb:
Du hast also die markierten konvexen (nach oben buckeligen) Stellen einfach erwärmt und dann an der Luft wieder abkühlen lassen, oder wie?
Genau so funktioniert das Verfahren.

Beim Flammrichten macht man sich die Eigenschaft der Ausdehnung bei Temperaturanstieg zu Nutze.
Wenn z.B. ein Rohr oder wie hier ein Blech krumm oder verzogen ist, gibt es immer eine längere und eine kürzere Seite.
Das kann man sich übertrieben wie bei einem Flitzebogen vorstellen.
Beim Flammrichten versucht man nun, die längere Seite durch Schrumpfungen soweit zu verkürzen, dass beide Seiten gleich lang werden.
Erwärmt man das Metall, dann will es sich ausdehnen. Das Material drumrum verhindert jedoch diese Ausdehnung, daher wird der Werkstoff im erwärmten Bereich gestaucht.
Bei der Abkühlung zieht sich das Metall dann wieder zusammen. Durch die vorhergehende Stauchung zieht sich das Metall in diesem Bereich allerdings weiter zusammen, als es sich zuvor ausdehnen konnte.
Dadurch erreicht man die Schrumpfungen, die für die Verkürzung der zu langen Seite notwendig sind.

Dirk schrieb:
Oder noch mitm Hammer draufgewemst?
Solche Kraftaufwände sind nicht notwendig, man lässt die Physik und den Stahl für sich arbeiten :D
Wenn der Verzug sehr stark ist, kann man die Schrumpfung etwas unterstützen, indem man das Bauteil schon mal in die richtige Richtung vorspannt.

Dirk schrieb:
Oder abgeschreckt?
Was genau ein Abschrecken bewirken würde, kann ich gar nicht so genau sagen.
Es ist allerdings keine gängige Praxis und ich habe die gewärmten Stellen auch nur an der Luft abkühlen lassen, damit das Material die nötige Zeit hat, um zu "arbeiten"

Dirk schrieb:
Wie warm hast du die Stellen gemacht? Glühend? Oder nur, bis Anlauffarben erkennbar sind? Oder gar nicht so weit sondern nur auf Pizza-Back-Temperatur?
Mein Lehrgeselle hat mir damals Kirschrot-Glühend beigebracht, ein paar Grad mehr sind aber auch kein Problem.
Nach der Glühfarben-Tabelle wären das etwa 800-950 Grad, allerdings macht man das nach Gefühl.

Auch durch Schweißnähte tritt dieses Phänomen der punktuellen Verformung auf.
Als Beispiel dazu noch schnell ein Bild aus meiner Lehrzeit.

Bei dem Maschinengestell haben sich die langen Rohre von dem Rahmen durch die Schweißnähte am Rohrstoß (roter Pfeil) nach oben verzogen.
Die Wärmeeinbringung der Schweißnähte hat das Rohr auf der Unterseite verkürzt und es wird krumm.
Als Maßnahme wurden die Rohre auf der Gegenseite (zu lange Seite) gewärmt, sodass auch hier eine Verkürzung eintritt und beide Seiten dann im Idealfall gleich lang werden.

Das war 80x80mm Quadrahtrohr mit 5mm Wandstärke, mit dem Hammer ist da nicht mehr viel zu holen.
Mit einem großen Brenner sind das vielleicht 5 Minuten wärmen pro Seite.
Danach holt man sich einen Kaffee und guckt dem Rohr zu, wie es schön langsam wieder gerade wird :mrgreen:
 
Interessant auf jeden fall, das Flammrichten wird mir in zukunft immer mal wieder begegnen und ich versuche mir nebenbei ein paar Tricks und Techniken anzueignen, leider hab ich niemanden, der das so richtig kann und mir dann zeigen könnte. Auf jedenfall wäre es cool wenn du das ein wenig aufsührlicher beschreiben könntest, vor allen dingen wie warm und wie genau kommst du auf die Punkte an denen gewärmt werden muss? einfach frei schnauze oder gibt es da fausregeln oder sowas?

Leider hab ich nur ein paar seiten Literatur wo das Thema Flammrichten nur kurz beschrieben ist (7 Seiten)
 
Ok einiges hat sich jetzt ja schon geklärt (war wohl zu langsam :D )
 
Hallo Tim,

Flammrichten hat sehr sehr viel mit Erfahrung zu tun.
Ich hatte das Glück, dass mein Lehrgeselle viel Erfahrung auf diesem Gebiet hatte und ich mir dadurch die Grundfertigkeiten abgucken konnte.

Das von henniee verlinkte Video taugt als Grundlage auf jeden Fall schon sehr viel.
Der Rest ist learning by doing.
Mancher Träger, den ich mit dem Brenner bearbeitet habe, war hinterher krummer als vorher :rotfl:

Die Stellen, wo man wärmen muss, findet man relativ schnell.
Bei Profilen sogar noch einfacher als bei Blechen.
Schwierig ist dagegen die Dosierung der Wärme.
Bei meinem Tisch hab ich auch erst mit kleinen Wärmepunkten angefangen. Dabei tat sich relativ wenig, also muss man die Wärmezonen etwas vergrößern.
Und ehe man sich versieht, ist das Ding in die andere Richtung krumm :shock:
 
Was genau ein Abschrecken bewirken würde, kann ich gar nicht so genau sagen.

Letzten Endes brichst du den Schrumfpungs-/Stauchungsprozess füher ab und härtest das gewärmte Material auf, es wird also noch spröder, als es sowieso schon durch Wärmeeinbringung wird..

Zum Thema learning by doing:

Früher habe ich es geschaft beim Wärmerichten von Geländern hin und her, die Seiten zu wechseln, weil zuviel auf der Gegenseite gewärmt wurde und dann wieder zuviel auf der anderen Seite usw. usf. (OK, so oft wars doch nicht.) :mrgreen:
 
Damit die Stelle härtet, muss erst mal ein signifikant härtbarer Stahl vorliegen - das kann man hier vermutlich weitestgehend ausschließen.

Das hat nichts mit den eingebrachten Spannungen durch die Volumenänderung zu tun. Vermutlich würde sich durch das Abschrecken bei dem Wald- und Wiesenstahl überhaupt nichts verändern, allerdings kann das Material bei langsamer Abkühlung noch etwas arbeiten und erzeugt so geringere Spannungen.

Gruß,
Phil
 
Damit die Stelle härtet, muss erst mal ein signifikant härtbarer Stahl vorliegen - das kann man hier vermutlich weitestgehend ausschließen.

Ich habe ja nun nicht davon gesprochen, daß das Grundmaterial so bretthart wird, daß es bricht.
Sicher wird es etwas härter/spröder, wenn man den eigentlich langsamen Abkühlungsprozess rapide abbricht, auch wenns nur ST37 ist, meine ich.
 
Vielen Dank allen Beitragenden für diesen schönen und sehr informativen :top: Thread. Richten ist für mich immer höhere Kunst. Manuelles Flammrichten besonders.
:thx:
 
Hatte mal ein sehr interessantes Video gesehen, wo sie gezeigt haben, wie sie für eine flussüberquerende Brücke die T-Träger, mittels Wärmekeilen, in den entsprechenden Radius zum Überspannen des Flusses gebracht haben.
 
Das von henniee verlinkte Video erwähnt so einen Fall auch.
 
HAL242 schrieb:
Damit die Stelle härtet, muss erst mal ein signifikant härtbarer Stahl vorliegen - das kann man hier vermutlich weitestgehend ausschließen.

Ich habe ja nun nicht davon gesprochen, daß das Grundmaterial so bretthart wird, daß es bricht.
Sicher wird es etwas härter/spröder, wenn man den eigentlich langsamen Abkühlungsprozess rapide abbricht, auch wenns nur ST37 ist, meine ich.

Da es sich hier um eine Platte handelt, die enorme Wärmekapazitäten besitzt, und der Stahl (Wald&Wiese ST37 alias S235) max. 0,2 Gew.-% Kohlenstoff enthalten darf, kann man die Aufhärtung wohl getrost vernachlässigen. Überhaupt muss man den Stahl erst mal eine ganze Zeit über AC3 (911°C) halten, damit der notwendige Austenit entsteht, um daraus den härterelevanten Martensit zu erzeugen (Umklappvorgang). So einfach ist das bei Bauteilen dieser Größe nicht.
Härten und Verspröden geht oftmals miteinander einher, das will ich nicht bestreiten, umgekehrt ist aber nicht jeder spröde oder versprödete Werkstoff hart.

Die Spannungen in unserem kurzzeitig erhitzten und wieder abgekühlten Stahl sorgen trotzdem für eine Belastung. Vielleicht kann man hier von einer Versprödung sprechen, ich bin mir da nicht sicher. Sprödigkeit beschreibt ja nur ein Verhalten zwischen (Bruch-)Dehnung und Spannung. Spannung haben wir, sichtbare oder messbare Dehnung... :wink:
An dieser Stelle dürfte also weniger Dehnung bei gleicher Spannung möglich sein, aber ich kann das bestenfalls qualitativ abschätzen...und behaupte daher es fällt nicht ins Gewicht. :glaskugel: :mrgreen:

Gruß,
Phil
 
An dieser Stelle dürfte also weniger Dehnung bei gleicher Spannung möglich sein, aber ich kann das bestenfalls qualitativ abschätzen...und behaupte daher es fällt nicht ins Gewicht.

Fällt es auch nicht und sollte gar nicht das Thema sein, ist also zu vernachlässigen.

Es ging vielmehr um die Fragestellung, was passiert, wenn man nicht langsam abkühlen lässt, sondern abschreckt und das fördert/verstärkt eine Aufhärtung/Versprödung im Allgemeinen, dass das in dem Fall keine Geige spielt, da verschwindend gering, steht auf einem anderen Blatt.
 
Thema: Kurzprojekt: Schweißtisch Flammrichten

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