Warum das Verzinnen von Litzen gefährlich werden kann

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K

klassisch

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Mein kleiner, ca. 15 Jahre alter Heizlüfter gebärdete sich plötzlich wie ein Drache.
Also sofort abstecken.
Nach den Öffnen ergibt sich folgendes Bild:


Eine Lüsterklemme ist völlig verschmort.

Hier sieht man auch den Grund:


Eine der beiden Litzen war verzinnt, statt mit einer Adernendhülse versehen zu sein - peinlicherweise ab Werk.

Viele verzinnen im guten Glauben Litzen, die anschließend verschraubt werden. Meist, um das Aufdrillen der Litzen zu verhindern.
Aber das ist falsch. Man nimmt damit langfristig der Litze ihre Elastizität.
Lötzinn ist duktil und wenig elastisch. Man kann das gut sehen, wenn man Lötdraht längt. Er verformt sich platisch, wird länger und bekommt eine helle, matte Oberfläche. Aber er federt nicht elastisch zurück.
Unter dem Druck einer Verschraubung weicht das Lötzinn dem Druck aus und fließt langsam zur Seite oder wo auch immer Platz ist.
Nach einiger Zeit (dies können u.U. Jahre sein) ist die Spannung aus der Verschraubung raus und die verzinnte Litze liegt fast lose in der Schraubklemme. Der ohmsche Widerstand steigt und damit auch die Verlustleistung an der Klemme, was zu dem eingangs erwähnten Drachenverhalten führen kann.
 
Vielen Dank!

Da mir das in jungen Jahren auch schon passiert ist, hab ich Deinen Bericht mal oben festgepinnt.

Ist sicher auch für die Zukunft ein Thema!
 
Ich ahbe bisher auch immer alles verzinnt :oops:
Danke für die Info.
Gruß Joachim
 
Moin!

ratzfatzab schrieb:
Ich ahbe bisher auch immer alles verzinnt :oops:
Verzinnen ist im Niederspannungsbereich(bis 1000VAC/1500VDC) schon seit ewigen Zeiten nicht mehr zulässig.

Bei Kleinspannung(bis 50VAC/120VDC) sieht die Sache anders aus, sinnvoll ist das verzinnen aber auch dort nicht. Aderendhülsen kosten so gut wie nichts und sind gegenüber dem Verzinnen eindeutig im Vorteil.

Ich nenne nur mal die zwei wohl bekanntesten Beispiele:
Lautsprecherzuleitungen
Halogenbeleuchtung

Lautsprecherleitungen werden gerne verzinnt, den meisten audiophilen sind VDE-Normen eh nicht bekant. Solange Zugklemmen vorhanden sind geht das leidlich gut, immerhin wenn das Zinn fließt spannt die Klemme nach. Gegen Oxidation durch Flußmittelreste hilft das aber leider auch nicht.

Bei Schraubklemmen und das dürfte zumindest bei Lautsprechern der übliche Fall sein hab ich sogar schon erlebt, daß man die Leitungsenden so aus der Klemme ziehen konnte. Ist ja eigentlich auch klar das Zinn fängt unter dem Druck der Klemme an zu fließen, die Verbindung löst sich. Das reicht normalerweise zwar für einen Wackelkontakt, aber meist kann man das Leitungsende dann noch nicht so ohne weiteres rausziehen. Die Schraubklemmen haben aber anscheinend üblicherweise keine selbsthemmenden Gewinde, so daß sie sich dann duch Erschütterungen endgültig lösen.
Fehlerbeschreibung des Laien: "Geht nicht mehr, Lautsprecher kaputt."

Singalaussetzer durch Kontaktprobleme habe ich in diesem Bereich schon zur Genüge gesehen, es dürfte bei Laien beinahe der Normalfall nach einer gewissen Zeit sein.


Der zweite bekannte Fall im Kleinspannungsbereich sind Halogenbeleuchtungen, da geht von solchen verzinnten feindrähtigen Leitungen sogar eine echte Gefahr aus, da die Ströme sehr hoch sind.
Beispiel: 40W Halogenleuchtmittel, 12V Betriebsspannung sind mal eben 3,3A. Davon ja gerne dann auch mehr als eines.
Erhöhte Übergangswiderstände durch verzinnte Leitungen in Schraubklemmen sind an der Tagesordnung, es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit bis die Klemme verschmort.
Aderendhülsen oder Klemmen die auch unbehandelte Leiter aufnehmen können würden das Problem lösen, sind aber leider vielen gar nicht bekannt.


Das ist übrigens in meinen Augen bei der Elektrik eh das größte Problem. Bauernweisheiten(verzinnen, "Nulleiter" etc.) werden von Vater zu Sohn weitergegeben und dann glaubt man sein ganzes Leben lang es wäre so richtig. Und da es meist gut geht wird das auch nicht hinterfragt. Die Gefahr durch Strom sieht, riecht, hört man halt nicht. Ich glaube kaum, daß die Leute das auch bei Gasinstallationen so machen würden.
Man verstehe mich nicht falsch, ich bin sicher der letzte der hier auf 13/2 NAV pochen will, aber ein wenig mehr Information würde in diesem Bereich vielen Heimwerkern nicht schaden.

@klassisch: Danke für die Bilder, hab ich gleich mal ausgedruckt und in mein Gruselkabinett gepackt.

Gruß
Christian
 
Vielen Dank, moto, Joachim und Christian für die unterstützenden Kommentare.
Ja, Christian, durch verzinnte Lautsprecherleitungen bin ich als Schüler auf dieses Thema gekommen. Da war ich stolz, alles ordentlich verzinnt zu haben. Und nach einen Jahr war die Lautsprecherleitung "seltsamerweise" locker. Nach einigen Monaten wieder.
Dann habe ich recherchiert, was damals ohne Internet für einen Schüler gar nicht so einfach war.
Und in eine gefühlt teure Adernendhülsenzange investiert.
Noch in den achtziger Jahren wollte mir ein Elektrikerladen verzinnte Herdanschlußleitungen verkaufen.
Brandgefährlich! Und deshalb auch verboten. Danke, Christian, daß Du es explizit geschrieben hast.
 
Hallo,
ich habe in meiner Lehre folgendes gelernt:
verzinntes (und auch Aluminium) "fließt" unter der Schraube weg,
deshalb regelmäßig nachziehen! (bei ner Öse nicht ganz so oft).
Deswegen gab es Lüsterklemmen mit Blecheinlage, wohl auch damit die Schraube das weiche Material nicht durchtrennt.
 

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Die "Lüsterklemmen mit Blecheinlage" gibt es, damit auch ohne Aderendhülse jede Litze erwischt wird und nicht durch die Kerbwirkung der Schraube abgedreht/abgeschnitten wird.

Kupfer fließt übrigens auch.

Heutzutage nimmt man eigentlich nur noch Federzugklemmen (im Volksmund vereinfachend nach einem Hersteller WAGO-Klemmen genannt), weil nur diese durch die kontinuierliche Federspannung eine Verbindung von immer gleicher Qualität garantieren.

"Regelmäßig nachziehen" kannste ja mal "Otto Normalverbraucher" beibringen, der im Normalfall immer noch in Wohnungen lebt, in welchen Verteilerdosen mit übertapezierten Deckeln Standard sind...
Anders gesagt: total am Leben vorbei. In jeglichen Installationen, die zugänglich sind, werden Dosenklemmen gegen WAGO-Klemmen ausgetauscht, oder man lässt gleich die Finger davon.
 
Dirk schrieb:
Heutzutage nimmt man eigentlich nur noch Federzugklemmen (im Volksmund vereinfachend nach einem Hersteller WAGO-Klemmen genannt), weil nur diese durch die kontinuierliche Federspannung eine Verbindung von immer gleicher Qualität garantieren.

Um Missverständnissen vorzubeugen:
Da ist in dem Thread ursprünglich um feindrähtige Leiter ging:
"Normale" Wagoklemmen sind nur für eindrähtige Leiter geeignet, für Litze bzw. feindrähtige Leiter benötigt man spezielle Ausführungen.
 
Tach

Diese dümmliche Geiz-Kreation stellte noch im Jahre des Herrn 2010 den Anschluß des Schweißkabels an die Masseklemme eines 680 € China-Schweißinverters dar.
Dem verzinnten Querschnitt der Leitung von 16mm² sollte 200A Schweißstrom zugemutet werden.

B 3221.jpg
 
Das ist zwar nicht begeisternd, aber auch nicht völlig fern der Vorgaben. Kommt halt auf die ED an.
schweisskabel.jpg
 
Ich habe auch schon oft Litzen verzinnt, in der Meinung, dass ich damit etwas gutes tun würde.
Lötzinn ist duktil und wenig elastisch. Man kann das gut sehen, wenn man Lötdraht längt. Er verformt sich platisch, wird länger und bekommt eine helle, matte Oberfläche. Aber er federt nicht elastisch zurück.
Unter dem Druck einer Verschraubung weicht das Lötzinn dem Druck aus und fließt langsam zur Seite oder wo auch immer Platz ist.
Nach einiger Zeit (dies können u.U. Jahre sein) ist die Spannung aus der Verschraubung raus und die verzinnte Litze liegt fast lose in der Schraubklemme.

Das klingt einleuchtend, aber ist es bei Aderendhülsen nicht das gleiche, dass sie beim Zuschrauben 'ausweichen' und die Kontakte locker liegen, wenn die Spannung der Verschraubung mit der Zeit verschwindet? Oder bestehen die Aderendhülsen aus einer Art Federstahl ? :kp:
 
kar schrieb:
Oder bestehen die Aderendhülsen aus einer Art Federstahl ?
Gute Frage, ich glaube nicht. Vermute mal, das ist Kabelkupfer, sog. "Leitkupfer", "Elektrokupfer", "Cu-57" oder "Cu-58" heute Cu-ETP genannt, zum Korrosionsschutz hauchdünn (galvanisch) verzinnt.
Die Aderendhülse sorgt dafür, daß sich die Litze fast wie ein massiver Kupferdraht verhält. Den kann man in einer Klemme auch verschrauben, s. Kupferinstitut, Kupferkabel "mechanische Verbindung".
Kupferdraht hat deutlich bessere Federeigenschaften als Zinn, ist aber auch schlechter als spezielle Federmaterielien Deshalb sind passende Federklemmen besser als Lüsterklemmen.
 
Tach

Da unter der Schraubklemmung einer Lüsterklemme der höchste elektrische Widerstand einer Leitung zu erwarten ist, schieben unerschrockene Mitbürger gutgemeint gern die entsprechend länger abisolierten Leiterenden soweit in die Klemme, daß sie von jeweils 2 Schrauben geklemmt werden.
Das ließe sich auch noch, mit mehreren Klemmen hintereinander gesetzt, optimieren.

Jaul, Heul, Brüll! :mrgreen:

___________________________________________________________________________
Wir sind alle kleine Sünderlein...
 
Danke Klassisch für deine klasse Erklärung und für den Link zu dem hervorragenden Papier!

Ein mir bekannter Elektroinstallateurmeister, der zwar irgendwie genial der aber auch ein bisschen chaotisch ist, hat mir das mit den Klemmen auch mal erzählt. Konnte ihm das aber irgendwie nicht glauben. Ich dachte, der würde die Klemmdinger nur empfehlen, weil sie schneller zu verarbeiten wären. So wie es aussieht ist es aber tatsächlich so, dass die Klemmdinger besser als geschraubte Verbindungen sind. :thx: für die Lehre! :D
 
Das klingt einleuchtend, aber ist es bei Aderendhülsen nicht das gleiche, dass sie beim Zuschrauben 'ausweichen' und die Kontakte locker liegen, wenn die Spannung der Verschraubung mit der Zeit verschwindet?

Deshalb ist ja heute in der Industrie nur noch Vierkantpressung zulässig, oder?
 
Super Leute!

Durch euren Beitrag hab ich sehr viel gelernt. Ich bin zwar nur ab und zu bei Elektroarbeiten, da ich kein Fachmann bin. Aber Eure Erklärungen werde ich mir zu Herzen nehmen. Ab heute wir nur noch mit "Wagoklemmen" und Aderendhülsen gearbeitet. Bisher konnte mir keiner die Vorteile schlüssig erklären.

Vielen Dank, Jesse
 
jesse schrieb:
Ab heute wird nur noch mit "Wagoklemmen" und Aderendhülsen gearbeitet.
Daran tust Du gut.
Habe gerade dieser Tage an einer 40 Jahre alten Hausinstallation, die eigentlich noch gut zu sein schien, ein leichtes Flackern einer Lampe entdeckt. Ursache: eine geschraubte Abzweigklemme in einer UP Abzweigdose hatte sich wohl über die Zeit gelöst und dann gab es darin ab und an kleine Funken. Die Abzweigklemme und der entsprechende Draht hatten schon deutliche Schweißspuren.
Dabei habei ich noch Würgeklemmen entdeckt, deren Exisitenz mir bisher unbekannt waren. Kaum berührt, sprangen die Drähte raus - gerade die Schutzleiter.
Keine Ahnung, ob so etwas noch zulässig ist.
Die Verdrahtung war wohl noch im Originalzustand wie beim Bau vom Fachhandwerker ausgeführt, über der Abzweigdose war noch der Putz. Möchte jetzt nicht am Handwerker rummäkeln, der Stand der Technik war eben so. Zeigt aber das Gefahrenpotential, das im Bestand schlummert
Die neue WAGO-COMPACT-Verbindungsdosenklemme 227X gefällt mir gut: schön platzsparend und durch das transparente Gehäuse sieht man gut, ob alles richtig gesteckt ist.
Für Lampen gibt es auch die Wago Leuchtenklemmen. Da steckt man auf der einen Seite den starren Draht von der Hausinstallation rein und auf der anderen Seite kann man die Litze auch ohne Adernendhülse einklemmen.
 
Das Verzinnen von Litzen mit anschließender Verschraubung sollte man sich verkneifen. Ich habe das früher einmal bei einem Stecker gemacht, der 1 Jahr später abqualmte.

Seitdem verwende ich nur noch Aderendhülsen, die aufgepresst werden.
 
Mittlerweile gibt es Schraubklemmen, die auch für unverpreßte Litze zugelassen sind. Die mir bekannten umfassen dabei die Litze an allen 4 Seiten. So eine Art Schraubstock mit Seitenwänden. Und einige Hersteller geben die dann auch für Litzen frei. Es lohnt sich also genau nachzulesen.
Die gewöhnlichen billigen Lüsterklemmen gehören nicht dazu.
Von Wago gibt es die federbelasteten "Cage Clamp", die auch für Litzen zugelassen sind-. Sind in den Leuchtenklemmen oder den 222 und 221.
Die Wago 221 sind neu und ich finde sie klasse, http://www.wago.de/produkte/neuheiten/uebersicht/verbindungsklemmen-221.jsp .
Die haben die Features der klobigen 222 aber sind nur wenig größer wie die 2273
 
klassisch schrieb:
Die Wago 221 sind neu und ich finde sie klasse, http://www.wago.de/produkte/neuheiten/uebersicht/verbindungsklemmen-221.jsp .
Die haben die Features der klobigen 222 aber sind nur wenig größer wie die 2273

Kann ich bestätigen! Ich habe die neue 221 Compact in allen Abzweigdosen verwendet, als ich gleichzeitig im 1. Stock den Verteiler auf den neuesten Stand gebracht habe.

Die alten Lüsterklemmen flogen alle raus.

Die 221 ist wirklich gut. Durchsichtig, so dass man gut sehen kann ob der Draht richtig steckt, leicht zu öffnen und unheimlich kompakt.
 
Thema: Warum das Verzinnen von Litzen gefährlich werden kann

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